Montag, 10. Juli 2017

Freistadt satt


Nur 35 km trennen Linz von Freistadt. Und Freistadt liegt mitten im Mühlviertel.

Es wurde nach 2 Flüssen benannt, der Großen und der Kleinen Mühl.
Das Mühlviertel ist der älteste Teil Oberösterreichs und wird wegen seiner wunderschönen hügeligen Landschaft auch die "Bucklige Welt" genannt.
Das Gestein dort besteht aus Gneis und Granit (abgekühltes Erdinneres), an manchen alten Bauernhäusern sieht man entsprechende Steine verbaut. 
Die Donau begrenzt das Mühlviertel vom Süden her, Linz klebt sozusagen am unteren Rand. 
Im Norden geht es nach Tschechien und in den Böhmerwald. 
Nach Tschechien wird mich auch mein Weg auf der Spurensuche führen. 
Östlich geht es nach Niederösterreich und im Westen bildet Deutschland die Grenze.

Freistadt hat knapp 8000 Einwohner, liegt nur etwa 17 km von der tschechischen Grenze entfernt im unteren Mühlviertel. Früher schraubte sich die Strasse streckenweise in engen Kurven hoch ins Mühlviertel. Das ist alles anders geworden. Über eine Autobahn geht es flink voran, und man merkt gar nicht, dass man sich von 266 m auf 560m begeben hat. Praktisch zum Fahren, aber landschaftlich nicht so schön wie früher.

Alt- Freistadt wurde als Grenzfestung und Handelsstadt in der ersten Besiedlungszeit um 1220 nördlich der Donau planmäßig angelegt und zwar als "Frienstat", d.h. Stadt der Freien.
2 uralte Handelswege, die schon Kelten und Römer benutzten, trafen sich hier.

Alsbald gab es hier unendlich viele Privilegien, 40 Handelsherren, 26 Gasthäuser und in diesen meist gleich eine Brauerei dazu!
Um all das zu schützen, wurden bereits ab 1363 Gräben, Mauern, 8 Türme und 2 Tore errichtet.
Ihre Blütezeit hatte die Stadt dann im 14. bis 16. Jahrhundert. Ihre Privilegien, die vor allem vom Salzhandel herrührten, verlor sie im 30-jährigen Krieg und ebenso ihre Bedeutung, was wirtschaftlichen Abschwung nach sich zog.
Im 19. Jahrhundert wandelte sie sich in eine Schul- und Verwaltungsstadt.
Glücklicherweise blieb die Stadt im 2. Weltkrieg von Bombardements verschont. Sie lag in der späteren sowjetischen Besatzungszone.

Der "Goldene Adler" , meine Unterkunft für 4 Nächte, ist schnell entdeckt.
Das Hotel ist seit 1807 im Familienbesitz der Familie Jäger.
Das Gebäude selbst stammt aus den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts und wurde 1457 erstmals urkundlich erwähnt. Die historische Fassade ist neueren Datums, entstand um 1900.
Die Gewölbe der Räume im Erdgeschoss stammen aus dem 16. und 18. Jahrhundert.
Ich freue mich, dass ich nun noch einmal in einem so altehrwürdigen Gebäude untergekommen bin.
Das macht mir viel mehr Vergnügen, als ein moderner Palast.



Ich packe kurz mein Gepäck ins Zimmer und laufe zum Hauptplatz.


Dort ist am Nachmittag ein kleiner Markt. Er nennt sich Genussmarkt. Ein paar Stände waren auch vormittags schon in Linz auf dem Markt, einige andere kommen direkt aus den Mühlvierteler Dörfern. Ich nehme mir ein paar leckere Hirsch- und Wildschweinwürste mit.



Durch den Torbogen gelangt man zum Schloss, welches zwischen 1363 und 1398 samt Bergfried errichtet wurde. Es diente der Verstärkung der Befestigungsanlagen der Stadt Linz.

Freistädter Schloss

Entspannung am Hauptplatz

der Goldene Hirsch

Böhmertor und Hotel zum Goldenen Hirschen

Das Traditionshotel Goldener Hirsch hieß früher Deim, und mein Vater hat bei seinen unzähligen Besuchen niemals einen Besuch dort ausgelassen. Ich nehme an, dass er da noch Verbindungen zu Schulkameraden hatte.
Der Torturm, das mächtige Böhmertor, hieß früher Spitaltor, weil das Spital vor dem Stadttor neben der Liebfrauenkirche stand, die wiederum -zusammen mit dem Frauenteich-  Grund für den weiteren Namen war, nämlich Frauentor. Da durch dieses Tor der Weg nach Böhmen führt, erhielt es seinen jetzigen Namen.
Im ehemaligen Stadtgraben kann man heute Spazierengehen, die Stadt kann man durch 6, statt früher nur 3 Zugänge betreten.
Das Linzertor und das Böhmertor sind die beiden ältesten Wehrtürme der Stadt.

Linzertor

Das Linzertor, Wahrzeichen der Stadt, ist 28m hoch und zählt zu den mächtigsten Tortürmen Mitteleuropas. Im Laufe der Zeit wurde es mehrfach baulich verändert, um dem Zeitgeist und dem entsprechenden Baustil gerecht zu werden.
Insgesamt hat Freistadt 160 denkmalgeschützte Gebäude aus der Gotik und der Renaissance zu bieten. Man findet in ganz Österreich kaum eine Stadt mit einer derartigen Vielfalt und vor allem einer fast vollständigen Wehranlage.

Dann pausiere ich doch ein wenig und gönne mir eine Pasta in einem Gastgarten an der Stadtmauer.
Das Essen gibt mir einen Energieschub. Fusslahm, aber immer noch voller Begeisterung setze ich meinen Streifzug durch die Gassen und Höfe fort. Ich folge weiter den Fußspuren meines Vaters und seiner Schwester.
Bei dem folgenden Komplex betritt man ein Gebäude in der einen Strasse durch einen Gewölbegang und kommt letztendlich durch innerbauliche Verbindungen in einer anderen Strasse wieder heraus. Raffiniert erbaut!





Die Stadtkirche wurde am höchstgelegenen Punkt der Stadt errichtet.
Das Haus mit dem Zwiebeltürmchen entstand Ende des 15. Jahrhunderts, hat einen schönen rechteckigen Arkadenhof. Sein Aussehen wurde in der Barockzeit verändert.

ein Zwiebeltürmchen auf einem Wohnhaus überrascht mich

ein Maibaum vor dramatischen Wolken

das Bürgerhaus aus der Renaissance steht seit 1940 unter
Denkmalschutz

spätgotisches Bürgerhaus mit Schopfwalmdach und Breiterkern
auf Konsolen mit Maßwerkfries

ehemalige Durchfahrt im Tonnengewölbe, das Haus wurde
1425 erstmals urkundlich erwähnt

ein Krokodil an der Decke

Das Krokodil soll von einem Zirkus kurz nach der Jahrhundertwende stammen. Um seine Herkunft und Erlegung ranken sich verschiedene Legenden.
Da ich langsam nichts mehr auseinanderhalten kann, beschäftige ich mich jetzt mit kleineren Dingen.




Ab und zu kommt mir dann doch wieder ein Haus in die Quere, oder ich finde ein altes Zunftzeichen über der Toreinfahrt, das mich fasziniert.




So langsam wird es Abend in Freistadt. Die Stimmung ist eine ganz besondere und verleitet mich, noch einige Runden zu drehen.

Rückseite vom Linzertor

der Scheiblingsturm

Der Scheiblingsturm (erbaut 1444) ist mit 25 Metern Höhe der vierthöchste und einer der jüngsten der Verteidigungsanlagen.

Statue des Hl. Johannes Nepomuk auf einem Brückchen vor
dem Linzertor

Nepomuk wurde 1350 in Böhmen geboren und wurde später katholischer Geistlicher, mit diversen Ämtern. Er wurde gefoltert und auf Befehl des Königs Wenzel IV. in der Moldau ertränkt, weil er am Beichtgeheimnis festhielt. Später wurde er im Prager Dom begraben, und bei einer Graböffnung fand man seine Zunge unversehrt. Er gilt als Märtyrer des Beichtgeheimnisses.
Er steht zu hunderttausenden auf Brücken herum, oft mit dem Finger auf dem Mund und einem Kreuz im Arm. Manchmal umgibt sein Haupt auch ein Strahlenkranz, weil er der Legende nach nach dem Ertränken in der Moldau inmitten eines Strahlenkranzes im Wasser trieb.

Eingang zum Salzhof

Salzhof in voller Breite

Das Gebäude des Salzhofes ist mit seinen 8 Fensterachsen beachtenswert. Andere Bürgerhäuser sind an der Strassenseite nur 3-6 Fensterachsen breit.
Es wird vermutet, dass es bereits im 9. Jahrhundert an dieser Stelle eine Burg gab, die sich an einer wichtigen Handelsstrasse befand. 1220 wurde Freistadt gegründet, und die Burg befand sich nun innerhalb der Stadtmauer.  1395 war dann das neue Schloss fertig, und die alte Burg wurde Mitte des 16. Jahrhunderts zum Salzspeicher.
Durch raffinierte Verordnungen gelang es, den Einwohnern viele Privilegien zu verschaffen.
So musste z.B waren die den Handelsweg passierte, 3 Tage in der Stadt zwangspausieren. In der Zeit mussten die Händler ihre Waren der Stadtbevölkerung zum festgelegten Preis anbieten. Das Ganze nannte man Stapelrecht. Da sie auch noch eine Maut bezahlen mißten und 3 Tage Unterkunft und Verpflegung waren die Gewinne der Stadtbevölkerung ordentlich.
Damit aber nicht genug! Es gab auch noch das Meilenrecht, und das verbot in einer gewissen Bannmeile um die Stadt jegliches Gewerbetreiben nicht ortsansässiger Personen.
Heute würde man sagen: ein geglücktes "Freistadt First" !

Mehrere verheerende Stadtbrände setzten auch dem prächtigen Salzhof zu, und ein früher existierender Turm wurde danach nicht wieder aufgebaut.
Seine Bedeutung als Salzspeicher verlor das Haus, als die Transporte nach Böhmen ab 1832 mit der Pferdeeisenbahn abgewickelt wurden.
Mittlerweile wurde der Gebäudekomplex in ein Kulturzentrum verwandelt.

Waaggasse 13

Die Waaggasse gab es bereits im 13. Jahrhundert. Hier steht eines der schönsten Gebäude Freistadts und, man staune, es ist offenbar dem Verfall preisgegeben. Ein Erbstreit soll dafür verantwortlich sein, und wie immer, geht es nur um Geld.
Das Haus ist ein typisches spätgotisches Bürgerhaus mit 3 Fensterbreiten und mehreren Gewölben im Parterre und einer kreuzrippengewölbten Halle.


Linzertor nach Sonnenuntergang

Mein Weg zum Hotel führt mich noch einmal am Hauptplatz vorbei. Der barocke Marienbrunnen leuchtet in der Mitte, und die Stadtkirche lässt sich eigentlich fast aus jeder Ecke erblicken.

Marienbrunnen beleuchtet

der Bergfried des Schlosses wirkt eher bescheiden

Ich schleiche dem Hotel entgegen...





Für heute reicht`s.


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